Ärztemangel: Simulationsbasierte Analyse von Gegenmaßnahmen

10.11.2022

Identifikation wirksamer Ausbildungsmaßnahmen, um Pensionierungen bis 2030 zu kompensieren

In den vergangenen Tagen wurde das ThemaÄrztemangel” in unterschiedlichen Medien reichweitenstark thematisiert. Ende 2022 (Stichtag 31.12.2020) gab es in Österreich, über alle Fachrichtungen hinweg, knapp 49.000 Ärzte und Ärztinnen. Durch die bevorstehenden Pensionierungen wird diese Zahl in den Jahren bis 2030 auf etwa 45.500 sinken. Das entspricht einem Gesamtrückgang von 7%.

Bei den AllgemeinmedizinerInnen ist dieser Rückgang mit 9% noch stärker (15.500 auf etwa 14.100 bis 14.200). Danach ist, bedingt durch die demographische Struktur der praktizierenden, sowie die Anzahl an zukünftig ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten, eine leichte Zunahme auf 14.700 bis 14.800 zu erwarten (über alle Fachrichtungen auf 47.000). Um den Herausforderungen dieses Rückganges zu begegnen haben die Ärztekammern Österreich und Oberösterreich die dwh GmbH mit einer modellbasierten Analyse beauftragt.

Ein naheliegender Ansatz wäre, die Anzahl an Studienplätzen für MedizinerInnen zu erhöhen. Allerdings würde sich diese Maßnahme, durch die Dauer der Ausbildung, frühestens in 12 Jahren bemerkbar machen, also ab 2034 und somit zu spät. Der zweite Ansatz fokussiert auf die Ausbildungsplätze, welche in den Krankenhäusern für die Facharztausbildung (die auch die Allgemeinmedizin beinhaltet) zur Verfügung stehen. Aktuell befinden sich in Österreich ca. 8.400 Personen in der Facharztausbildung an Krankenhäusern. Das entspricht ungefähr 1.500 Personen jährlich, die diese Ausbildung beginnen. Mithilfe der Simulation konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung der Ausbildungsplätze auf 9.200 - 9.600 den Impact der Pensionierungswelle abfangen würde. Dies würde zwischen 1.600 und 1.800 Personen jährlich entsprechen, die die Facharztausbildung beginnen, also “nur” etwa 100-300 Personen mehr als aktuell.

Zusätzlich zeigt sich, dass gegenwärtig jährlich rund 300 MedizinstudentInnen nach ihrem Universitätsabschluss keine Facharztausbildung in Österreich antreten, sondern entweder in einen anderen Berufszweig wechseln oder ins Ausland abwandern. Eine Möglichkeit wäre daher, durch entsprechende Lenkungsmaßnahmen die UniversitätsabsolventInnen in Österreich zu binden und darüber hinaus ÄrztInnen aus dem Ausland für die Facharztausbildung in Österreich zu gewinnen. Der Vorteil dieses Ansatzes ist, dass nach der aktuellen Pensionierungswelle die aktuell vorhandenen Ressourcen für die Ausbildung wieder reichen, um den demographischen Abfluss auszugleichen.

Die Ergebnisse der modellbasierten Studie, welche unter anderem von Dr. Niki Popper bei einem entsprechenden Vortrag der Ärztekammer präsentiert wurden (Cover-Foto), können sie im Detail in der Zeitschrift für Gesundheitspolitik des Linzer Institutes für Gesundheitssystem-Forschung nachlesen.


Anmerkungen
  • Die Simulationsergebnisse umfassen alle Sektoren in ganz Österreich. Sie sind nicht in der Lage zu prognostizieren, wo sich wie viele ÄrztInnen mit welcher Fachausbildung niederlassen werden um zu praktizieren, also ob eine flächendeckende Versorgung Österreichs gewährleistet wird, oder die JungärztInnen z.B. Ballungszentren bevorzugen.
  • Die Ergebnisse berücksichtigen nicht, ob die fertigen Ärztinnen und Ärzte als Kassen- oder Wahlarzt ordinieren.
  • Die Berechnungen gehen von einem gleichbleibenden Ärzte-Bedarf aus, berücksichtigen also weder Bevölkerungswachstum, Alterung noch eventuelle Effizienzsteigerungen durch Technologieeinsatz.
  • Die Berechnungen sind daher als untere Grenzen bei Einsatz flankierender, optimaler Lenkungsmaßnahmen zu verstehen.